VIP-Karten für Spitzenpolitiker: Warum wurde nicht ermittelt?
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat trotz vermehrter Hinweise auf einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme nicht gegen Hamburger Spitzenpolitiker und -beamte ermittelt.
Nach einer routinemäßigen Betriebsprüfung im Oktober 2018 waren den Finanzbeamten Unregelmäßigkeiten in den Büchern des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli aufgefallen. Konkret ging es um die Vergabe von Freikarten einer der höchsten Preiskategorien im Zeitraum von 2013 bis 2016 an den damaligen Bezirksamtsleiter und heutigen Hamburger Innensenator Andy Grote, den Hamburger Polizeichef Ralf Meyer sowie den ehemaligen Wirtschaftssenator Frank Horch.
Nach Panorama 3-Recherchen gaben die Finanzbeamten diese Informationen im April 2019 zunächst weiter an die Staatsanwaltschaft Hamburg, Abteilung Korruption. Hier musste entschieden werden, ob die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Vorteilsannahme einleitet.
Treffen zwischen Staatsanwälten und Behördenleiter
Mehrere Staatsanwälte trafen sich in der Sache mit dem Behördenleiter, Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich. Über dieses Treffen liegen Panorama 3 Informationen vor. Danach habe der Generalstaatsanwalt von Ermittlungen abgeraten. Hat er das möglicherweise getan, um eine öffentliche Diskussion im Vorfeld der Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2020 zu vermeiden?
Auf Nachfrage bestätigt der Generalstaatsanwalt gegenüber Panorama 3, dass es dieses Gespräch gab. Es sei allerdings einvernehmlich und aktenkundig beschlossen worden, dass kein Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme bestehe. Weisungen und sonstige Anordnungen seien nicht ergangen.
VIP-Freikarten im Wert von über 3.000 Euro
Der damalige Leiter des Bezirksamts Mitte, Grote, soll insgesamt acht Freikarten im Wert von rund 1.700 Euro erhalten haben, der Polizeipräsident Meyer im Jahr 2016 insgesamt vier Freikarten im Wert von mehr als 850 Euro und der damalige Wirtschaftssenator Horch ebenfalls 2016 insgesamt zwei Karten im Wert von mehr als 500 Euro. Alle Karten entsprechen der Preiskategorie 15: VIP-Loge mit freier Bewirtung.
Grote antwortete auf Panorama 3-Nachfrage, dass die Teilnahme an Heimspielen jeweils in dienstlicher Funktion und auf Einladung der Vereinsführung erfolgte. Allerdings könne er nicht mehr rekonstruieren, wie viele Karten er bekommen habe und mit wem er dort gewesen war. Das Bezirksamt Mitte erklärte auf Anfrage, keine Kenntnis von Besuchen ihres damaligen Amtsleiters beim FC St. Pauli zu haben.
Auch Polizeipräsident Meyer erklärte, die Besuche seien rein dienstlicher Natur gewesen. Ob er dienstlich oder privat zu diesen Spielen begleitet wurde, ließ er unbeantwortet.
Der ehemalige Wirtschaftssenator Horch begründet die Kartenannahme auf Panorama 3-Anfrage mit repräsentativen Aufgaben. Ob er die Freikarten tatsächlich genutzt habe, könne er nicht mehr nachvollziehen.
Steuerprüfung noch im Gange
Vor wenigen Wochen ist der Fall wieder bei der Hamburger Finanzbehörde gelandet. Diese veranlasste am vergangenen Donnerstag (22. August) eine Razzia beim Fußballverein FC St. Pauli. Die Steuerprüfungen dauern an.
Der FC St. Pauli erklärt auf Panorama 3-Nachfrage, man habe keine Fehler gemacht und alle Freikarten ordnungsgemäß versteuert.